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Gedanken zum Informatikunterricht


Die Entwicklung der Schul-EDV vom programmierbaren Taschenrechner der ersten Jahre bis zur aktuellen Zeit des Internets zeigt deutlich wie groß die Änderungsgeschwindigkeit im Bereich der EDV ist. Nichts ist mehr so wie früher, weder in der Hardware noch in der Software. Um so drängender stellt sich die Frage nach dem, was im Wechsel des Vergänglichen wohl Bleibend und Überdauernd sein könnte. Was soll dem Schüler mit tiefer gehender pädagogischer Sinnhaftigkeit im EDV-Unterricht vermittelt werden ? Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten.

Eine erste Antwort liefert der so genannte anwendungs-orientierte Unterricht. Dabei wird die praktische Beherrschung des Computers zur Datenverarbeitung als vierte Kulturtechnik angesehen - neben Lesen, Schreiben und Rechnen. Dem entsprechend liegen die Schwerpunkte auf der Schulung von Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbankverwaltung, Grafikverarbeitung. Dazu kommen noch die Fertigkeiten im Umgang mit dem Internet und allem was noch dazu gehört, wie E-Mailing beispielsweise.

Eine zweite Antwort liefert der so genannte technik-orientierte Unterricht. Dabei steht der technische Hintergrund der EDV im Zentrum des Unterrichts. Der Schüler soll das Innenleben der Black Box verstehen, die grundlegenden elektronischen Schaltkreise und den binären Zahlencode.

Eine dritte Antwort schließlich liefert der so genannte algorithmus-orientierte Unterricht, zu dem ich persönlich eine hohe Präferenz habe. Der Computer wird als Werkzeug verstanden mit dessen Hilfe Probleme gelöst werden können, Probleme mathematischer aber auch nicht mathematischer Art. Beispielsweise soll in einer geeigneten Sprache ein Programm entwickelt werden, welches von einer eingetasteten Zahl feststellt, ob diese ein Primzahl ist; oder es soll eine eingegebene Liste von Namen alphabetisch sortiert werden. Der eigenständigen Entwicklung von Programmen zur Lösung von Aufgaben messe ich einen hohen pädagogischen Stellenwert bei. Fünf Gründe will ich hierfür kurz anführen:

(1) Kreatives Schaffen. Auf dem langen Weg vom gestellten Problem bis zum
lauffähigen Programm sind Kreativität und Einfallsreichtum erforderlich.

(2) Analytisches Denken. Die intensive Analyse des Problems und die Entwicklung
eines Lösungsansatzes steht am Anfang jeder Denkbemühung.

(3) Systematisches Denken. Die Gliederung und Strukturierung des Lösungsweges
in einzelne Abschnitte ist ein wesentliches Element des Programmentwurfes.

(4) Sorgfalt und Disziplin. Diese beiden Tugenden werden durch den unmittelbaren
Leistungs-Feedback eingefordert (das Programm funktioniert oder es funktioniert
nicht). Der Schüler lernt seine eigenen Fehler zu analysieren.

(5) Emotionaler Lustgewinn. Jedes einfache Programm, welches den Wünschen
seines Erfinders gehorcht, bringt eine genussvolle intellektuelle Befriedigung.

Die angeführten Faktoren treten bei jeder Programmier-Arbeit mehr oder minder stark auf. Sie sind meines Erachtens gewichtige Gründe, welche für die Erlernung des Programmierens im Wahlpflichtfach Informatik sprechen. In diesem Sinn erweist sich der Computer als modernes Hilfsmittel zur Schulung des logischen Denkens.

Das vorrangige Ziel ist die Aneignung eines effizienten Problemlöse-Verhaltens, der Erwerb praktischer Fertigkeiten ist dabei eine wertvolle Zugabe. So soll auch ein tieferes Verständnis für die Arbeitsweise von Textverarbeitungen und Tabellenkalkulationen, für den Aufbau von Datenbanken oder die Funktionsweise von Netzwerken und ihren Betriebssystemen vermittelt werden.

Im Unterricht soll "Bildung" stattfinden. Das ist etwas Anderes als das Herunterladen von Informationen aus dem Internet. Bildung ist mehr als bloßes "Informiert-Sein". Bildung besteht in der verantwortungsvollen Bewertung und Verwendung von angeeignetem Wissen. Wenn Wissen zugleich Macht ist, dann schützt Bildung vor dem Mißbrauch dieser Macht. Für den Informatikunterricht bedeutet das eine realistische und kritische Einschätzung des Computers in unserer Gesellschaft, die Hinterfragung der Sinnhaftigkeit modischer Zeitströmungen, die Entwicklung einer unabhängigen persönlichen Meinung, der Fortschritt von der Ausbildung zur Bildung.
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